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Frauen-Trainer Tino Gottlöber im Interview




Hallo Tino, danke dass du dir die Zeit genommen hast für dieses ausführliche Interview. Springen wir gleich hinein in die Fragen … Welches (sportliche) Fazit ziehst du für die vergangene Saison 22/23?

Wir können auf diese Saison sehr stolz sein. Mit dem 7. Tabellenplatz haben wir unsere Zielstellung optimal erfüllt. Die Mannschaft musste in vielen Spielen ans Limit gehen. Sie hat hervorragend als Team funktioniert.

Was war aus deiner Sicht der Schlüssel für den sicheren bzw. vorzeitigen Klassenerhalt?

Die Basis dafür waren die Spiele gegen die Mannschaften des unteren Tabellendrittels. Wir haben gegen die fünf Mannschaften, welche am Ende absteigen mussten, 23 von 30 möglichen geholt. Aber auch die „Bonuspunkte“ gegen die Spitzenteams Jena II (4), Magdeburg (1), RB Leipzig II (1) und Union Berlin (3) waren ausschlaggebend, denn am Ende ist der Stieglitzer FC Stern mit sogar 28 Punkten noch abgestiegen.

In der abgelaufenen Saison gab es insgesamt fünf Absteiger. Hand aufs Herz: Hast du vor der Saison daran geglaubt, dass ihr tabellarisch gesehen recht souverän die Klasse halten könnt?

Es gab im Vorfeld dieser Saison viele Diskussionen über den Spielmodus bzw. die Abstiegsmodalitäten und Staffelstärke des folgenden Spieljahres. Dabei war der Verband anderer Meinung als der Großteil der Vereine. Am Ende mussten wir die Entscheidung des NOFV so hinnehmen. Wir sind immer von diesen möglichen 5 Absteigern ausgegangen, was ja am Ende auch so eingetreten ist. Wir wussten von Anfang an um die Wichtigkeit eines jeden Punktes. Sicherlich hatten wir auf so ein Abschneiden gehofft. Das es so eintritt, dafür gab es jedoch keine Garantie. Doch nach den gezeigten Leistungen über die gesamte Saison gesehen, standen wir dann auch verdient auf diesem 7. Tabellenplatz.

Womit bist du besonders zufrieden, wo siehst du noch Verbesserungspotential?

Wir haben uns vor allem im Spiel nach vorn verbessert. 48 Tore sprechen für sich. Zudem haben wir in vielen Spielen bewiesen, dass wir (meiner Meinung nach) eine der besten Mannschaften im Spiel gegen den Ball waren. Somit haben wir das Spielgerät gegen die meisten Gegner weit von unserem Tor fern halten können und im Vergleich zu den vergangenen Jahren viel weniger Chancen zugelassen. Natürlich können wir uns in vielen Dingen noch verbessern. Ich denke, dass wir unser spielerisches Vermögen, welches die Mannschaft wöchentlich im Training abruft, noch nicht zu 100% am Spieltag auf den Platz bringen. Zu dem haben wir noch zu viele einfache individuelle Fehler gemacht, die zu Gegentoren führten. Ärgerlich waren auch die Ausgleichstreffer, die wir in den Heimspielen gegen RB II, Magdeburg und Hertha erst kurz vor dem Schlusspfiff kassiert haben.

Gibt es für dich ein positives und ein negatives Highlight der Saison 22/23?

Jeder Sieg, jeder Punkt war wichtig. Doch der Sieg gegen den 1.FC Union Berlin wird sicher ewig in Erinnerung bleiben. Da waren die emotionalen Momente unglaublich. Auch der Saisonabschluss bei Viktoria Berlin, obwohl 4:0 verloren, war für die Mannschaft ein Höhepunkt. Vor fast 1000 Zuschauern zu spielen, dass gab es für keine Spielerin vorher.
Als negativen Höhepunkt würde ich die Niederlage bei Hohen Neuendorf nennen. Da hat mich das Auftreten und die Leistung wirklich sehr enttäuscht.

Welche Zielstellung hast du/habt ihr als Trainerteam für die neue Saison?

Die Staffelstärke wurde auf 12 Mannschaften reduziert. Viele Gegner, gegen die wir vergangenes Jahr gepunktet haben, sind nicht mehr dabei. Allein die Namen der meisten Vereine sagt einiges über das zu erwartende Niveau aus. Doch Bange machen ist nicht. Wir werden uns wie in den vergangenen Jahren dieser reizvollen Aufgabe stellen und wollen auch im Spieljahr 2024/25 Regionalliga spielen.

Die Vorbereitung hat Anfang Juli begonnen, worauf legst du bzw. legt ihr im Trainerteam den Fokus?

Ich denke, dass wir als Trainerteam es in den Vorbereitungszeiten immer gut hinbekommen haben, jede einzelne Spielerin ordentlich fit zu bekommen. Denn das ist die Grundvoraussetzung für unsere Spielphilosophie. Natürlich werden wir auch an unseren Schwachpunkten feilen, Dinge ausprobieren, mit denen wir noch besser und effektiver werden können.

Welche Veränderungen gibt es im Kader?

Wir hatten eine erfolgreiche Saison, haben mit unserem Kader auch einige schwierige Phasen überstehen müssen, wo wir wichtige Spielerinnen über einen längeren Zeitpunkt nicht zu Verfügung hatten. Doch die Mannschaft war so stark und konnte diese Lücken immer gut schließen. Da uns bis auf Katharina Zippack keine weitere Spielerin verlassen wird und das Team gut funktioniert, wird es keine großen Veränderungen geben. Trotzdem sind wir froh, dass einige neue Spielerinnen in den Kader rücken. Unsere bisherigen Neuzugänge Nicole Burkhardt (Senftenberg), Antonia Hör (Jesteburg) Lea Goßlau (Thonberg), sowie unsere aufrückenden B-Mädchen werden den Kader vergrößern und für gesunde Konkurrenz sorgen. Des Weiteren hoffen wir auf Paula Klemm, die sich nach ihrem Kreuzbandriss noch in der Aufbauphase befindet.

Wo siehst du die Stärken und Schwächen des Teams? Was zeichnet die Mannschaft aus?

Positiv zu nennen sind in erster Linie der Teamspirit. Auch wie die Mannschaft taktische Vorgaben umsetzt, ist für uns sehr wichtig. Negativ würde ich sagen, reizt die Mannschaft und auch einzelne Spielerinnen ihr Leistungsvermögen noch nicht zu 100 % aus. Da stimmen Trainingsleistungen und Spielleistungen noch nicht überein. Das hängt zum großen Teil mit dem Vertrauen in das eigene Können zusammen.

Was denkst du über den Aufstieg des 1.FFC Fortuna Dresden in die Regionalliga Nordost? Konkurrenz? Bereicherung?

Ich habe damit kein Problem. Sie haben es sich durch die Meisterschaft und Siege in der Relegation verdient. Wir haben Fortuna, so wie es sich gehört, zum Aufstieg gratuliert und freuen uns auf die Derbys. Auf Grund der Nähe ist es schon auch in gewissem Maße Konkurrenz. Wir sehen es aber sportlich und sparen wenigstens an Reisekilometern ;-).

Die Staffelgröße hat sich um zwei Teams reduziert, Viktoria ist in der Aufstiegsrelegation gescheitert, Hertha BSC steigt in den Frauenfußball ein, Union Berlin steigt auf Vollprofitum um und auch in Magdeburg zeichnet sich eine Übernahme/Professionalisierung in naher Zukunft ab. Welche Gedanken schweben dir bei Betrachtung dieser Entwicklungen durch den Kopf?

Ich freue mich über diese Entwicklung im Frauenfußball. Leistung und noch mehr Leistung, kann nur durch Verbesserungen des Umfelds und der Bedingungen erreicht werden. Und wenn der deutsche Frauenfußball den Anschluss an die Weltspitze nicht verlieren will, muss diese Entwicklung anhalten und ausgebaut werden. Wir erleben gerade ein Umdenken in den Chefetagen der größeren Clubs. Das wird dazu führen, dass die kleineren bzw. reinen Frauenvereine es immer schwerer haben werden, sich in den zwei oberen Ligen zu halten (siehe Turbine Potsdam). Dies wird sich in den nächsten Jahren auch auf die Regionalligen auswirken und das Niveau anheben. Natürlich haben die genannten Vereine ganz andere Voraussetzungen als wir. Bischofswerda hat ich glaube nicht mal mehr als 10000 Einwohner. Wollen wir perspektivisch den Frauen-Regionalligafußball in Bischofswerda erhalten, müssen sich auch bei uns die Bedingungen verbessern, um Spielerinnen den Weg in die Oberlausitz attraktiver zu machen.

Am 20. Juli begann die Frauen-WM in Australien/Neuseeland. Wie beurteilst du die Entwicklung der Frauen-Nationalmannschaft nicht nur sportlich, sondern auch bzgl der Außenwirkung und was traust du unseren Mädels bei der WM zu?

Ich hoffe, dass der derzeitige Boom durch eine gute Leistung unserer Frauen bei der WM anhält. Doch das wird kein Selbstläufer. Viele Länder haben im Frauenfußball eine enorme Entwicklung gemacht und solche Turniere können in beide Richtungen führen. Da entscheiden dann meistens auch kleine Dinge ein Spiel. Auch wenn kein Weltmeistertitel herauskommt, sollte der eingeschlagene Weg konsequent weitergeführt werden.

Als Nachwuchsleiter hast du in besonderem Maße Einblick in die Entwicklung unserer „Mädchenabteilung“. Wie fällt dein Fazit für die vergangene Saison aus und spürt man auch im Mädchenbereich den „Boom“ nach der erfolgreichen EM im vergangenen Sommer?

Wir arbeiten schon seit Jahren mit den Vereinen des Westlausitzer Verbandes eng zusammen und versuchen jedem Mädchen eine fußballerische Perspektive zu geben. Ich glaube das ist uns in den letzten Jahren sehr gut gelungen. In der letzten Saison haben wir in allen Altersbereichen(B-,C-,D-Juniorinnen) an Wettkämpfen teilgenommen. Dabei wurde unser B-Mädchenteam 5. der Landesliga Sachsen. Unsere D-Mädchen holten Im Landespokal und in der Landesmeisterschaft jeweils hinter RB Leipzig die Silbermedaille. Einige Mädels erhielten auch Nominierungen in die Landesauswahl ihrer Altersklassen. Das zeigt, dass wir trotz der großen Entfernungen im Westlausitzer Kreis es in Zusammenarbeit mit ihrem Heimatvereinen hinbekommen, Mädchen auszubilden und zu fördern. Vom Boom würde ich nicht sprechen. Doch gerade in den unteren Jahrgängen (2011/12/13/14) ist die Anzahl Fußball spielender Mädchen stetig gestiegen.

Gibt es eine Botschaft, die du an die Leser/innen/Fans/Unterstützer/Freunde des BFV bzw. der BFV-Frauen loswerden möchtest?

Die Aufmerksamkeit auf die Leistungen unserer Mädels ist sicherlich gestiegen. Trotzdem würde ich mir wünschen, das da noch mehr geschieht und dass was die Mädels leisten, noch mehr honoriert wird. Ich weiß nicht, ob alle das schon registriert haben, dass wir momentan die zweitbeste Mannschaft in Sachsen sind, unter den Top Ten Vereinen im Nordosten rangieren. Dies ist mit unseren Voraussetzungen eine TOP Leistung. Uns als Team macht uns das unheimlich stolz.

Gibt es etwas, dass du deinen Mädels auf diesem Wege gerne mitteilen möchtest?

Wir als Trainerteam sind unheimlich stolz auf das, was ihr im letzten Jahr erreicht habt. Auch wir wissen, dass die kommende Saison nicht einfacher werden wird, im Gegenteil. Doch wir sind felsenfest überzeugt, dass ihr es als Team schaffen werdet, am Ende wieder sagen zu können. „Regionalliga ist schön, keine Zeit zu gehen!“


Vielen Dank für deine Zeit, Tino. Wir wünschen dir, dem gesamten Trainer- und Funktionsteam sowie der Mannschaft eine erfolgreiche und verletzungsfreie Saison.





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